Betriebliches Gesundheitsmanagement und Prävention erfreuen sich steigender Beliebtheit bei vielen Unternehmen. Doch kümmern sich Führungskräfte auch um die eigene Gesundheit? Professor Andreas Zimber von der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim über mehr oder weniger gesunde Manager.
Warum sollten die Führungskräfte eines Unternehmens gesund sein? Wegen ihrer Vorbildfunktion?
Gesunde Führungskräfte sind zufriedener mit ihrer Arbeitssituation und meist leistungsfähiger als Kolleginnen und Kollegen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ob sie auch eine Vorbildfunktion für ihre Mitarbeitenden übernehmen, hängt von anderen Umständen ab. Hier spielen persönliche Erfahrungen mit Gesundheit und Krankheit eine Rolle, aber auch Einstellungen zum Führen selbst. Zum Beispiel, ob die Erhaltung der Mitarbeitergesundheit zu den Führungsaufgaben gehört.
Kommt die Erhaltung der eigenen Gesundheit dabei zu kurz?
Die Erhaltung der eigenen Gesundheit sollte nicht nur übergeordneten Zielen dienen, sie hat auch für sich selbst eine Berechtigung. Das ist für Führungskräfte, die in Mittel-Zweck-Relationen denken, nicht unbedingt selbstverständlich.
Wo leidet die Gesundheit von Führungskräften am meisten?
Führungskräfte mit viel Stress und ungesunder Lebensführung ‒ weil man zu viel sitzt, sich zu wenig bewegt und unregelmässig oder zu viel isst ‒ haben ein erhöhtes Herzinfarkt- und Depressionsrisiko. In Studien fanden wir allerdings kein erhöhtes Stressrisiko, was nahelegt, dass Führungskräfte ihre eigenen Belastungsgrenzen höher ansetzen als Mitarbeiter ohne Personalverantwortung. Manager in Sandwich-Positionen mit wenig Entscheidungsspielraum sind demnach offenbar hoch gefährdet, psychische Probleme zu entwickeln.
Wie merken Manager, dass sie ihrer Gesundheit zu viel zumuten?
Wir sind dieser Frage in Interviews mit gesundheitlich angeschlagenen Führungskräften nachgegangen. Die meisten von ihnen hatten ihre Überlastung ignoriert nach dem Motto «gelobt sei, was hart macht». Aber Körper und Psyche vertragen auf Dauer eben nur ein gewisses Mass an Beanspruchung. Wenn das nicht durch genügend Erholung ausgeglichen wird, ist auch bei hartgesottenen Führungskräften irgendwann Schluss.
Was sind typische Frühwarnzeichen?
Erste gesundheitliche Beschwerden wie Schlafstörungen oder Magenschmerzen sollten als gelb-rote Karte wahrgenommen werden, und zwar nicht erst, wenn sie chronisch oder lebensbedrohlich sind wie ein Herzinfarkt. Auch muss man eigene psychische Reaktionen beurteilen: Bin ich dauernd ungeduldig oder nervös? Verspüre ich keine Freude mehr? «Pre-Crash»-Sensoren zur Selbsteinschätzung des Gefährdungspotenzials sind etwa vorbestehende gesundheitliche Risikofaktoren wie Alkohol- und Nikotinkonsum, hoher Blutdruck oder Diabetes. Wenn jemand die Vorsorge vernachlässigt und keine Stressbewältigungsstrategien kennt, steigt das Risiko, dass der Organismus schlappmacht.
Was tun, damit es nicht zum Crash kommt?
Führungskräfte, die noch einmal «die Kurve kriegten» und nicht krank wurden, sind zu ihrem Arzt oder Coach gegangen oder haben einfach mit Freunden oder Familie über ihre Belastung gesprochen. Viele wurden von ihrem Umfeld auf die Situation aufmerksam gemacht, zum Beispiel, weil sie oft gereizt waren. Das Einholen von Feedback und Unterstützung durch andere scheint ganz wesentlich zu sein, um ungesunde Muster zu erkennen. Ob es zum Crash kommt oder nicht hängt stark davon ab, wie jemand mit Belastungen umgeht, ob sie oder er es schafft, die innere Haltung zu ändern und die Arbeitsumstände anzupassen. Das geschieht in fünf Schritten: Aufgaben verringern, Belastung annehmen, Ansprüche hinterfragen, umdenken, aus dem Teufelskreis austreten.
Viele Unternehmen bieten auch für Führungskräfte BGM-Massnahmen an.
Prinzipiell ja, aber viele Führungskräfte kommen gar nicht auf die Idee, diese in Anspruch zu nehmen. Das hängt wiederum mit der oben erwähnten Einstellung zur Gesundheit zusammen. Manager, die in diesem Bereich etwas für sich tun wollen, schätzen eher den diskreten Rahmen beispielsweise eines Coachings. Dort können sie sich outen und Probleme zur Sprache bringen oder idealerweise auch angehen.